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Deutschlandpremiere von “Sound of Torture” & #MigrantsFiles

Posted By on March 31, 2014

Meron’s Telefon in Schweden klingelt ununterbrochen… Auf der anderen Seite? Hilfeschreie, Verzweiflung, Ausdruck des Leidens vieler Opfer.

Doch wer sind diese Menschen und was zeichnet sie als Opfer aus? Es sind Menschen, die ihrem eigenen Heimatland -in diesem konkreten Falle, Eritrea (siehe Human Rights Watch Länderbericht Eritrea)- zwar entfliehen konnten, jedoch auf ihrer Suche nach Freiheit, Opfer einer gewaltsamen Gruppe von Erpressern geworden sind.

So erzählt der Dokumentarfilm „Sound of Torture“ keine gewöhnliche Geschichte von Migranten, doch eine noch traurigere aber sehr harte und aktuelle Realität von entführten Flüchtlingen. Unter extremer Folter, werden diesen Opfern Telefone ans Ohr gedrückt und mit Schlägen werden sie dazu gezwungen, ihre Verwandten am Telefon buchstäblich anzuflehen, das Lösegeld für ihre Freilassung schnellstmöglich zu bezahlen.

Dies ist das neue „Geschäftsmodell“ einer skrupellosen Tätergruppe im Sinai, die Afrikaner nicht als Menschen sondern als „Vieh, aus dem man eine ganze Menge Geld machen kann“ anerkennen, erklärt Meron im Anschluss an die Deutschlandpremiere des Films „Sound of Torture“, der vergangenen Sonntag im Münchner Arri-Kino in der Reihe der Best.Doks Reihe “Unrecht braucht Zeugen” und in Zusammenarbeit mit Human Rights Watch, Deutschland, aufgeführt wurde.

Die Reise der eritreisch-schwedischen Radiomoderatorin Meron beginnt als sie vor rund vier Jahren, den entführten Opfern in ihrer Radiosendung „Radio Erena” eine „Stimme“ verleiht. Meron schätzt, dass dieses Entführungs- und Lösegelderpressungsschicksal, während der letzten 4 Jahren, in denen sie eine grosse seelische Unterstützung vieler Opfer und ihrer erpressten Angehörigen geworden ist, etwa 30.000 afrikanischen Flüchtlingen (zu 90 Prozent Eritreern) widerfahren ist.

Während des Films reist Meron nach Israel und lernt vor laufender Kamera, einige dieser „Stimmen“, die auf der anderen Seite ihres Telefons weinten und um Hilfe flehten, zum ersten Mal in ihrem Leben persönlich kennen. Einige davon sind befreit und lebendig heute, andere tot. Denn auch die Zahlung dieser Lösegeldforderungen an diese gesetzlose Gruppe, garantiert nicht dafür, dass man das Opfer jemals wieder lebendig sieht.

Der Zuschauer wird Zeuge schrecklicher Erpressung der Angehörigen von geldgierigen Geiselnehmern; so werden USD 35.000,- Lösegeld von Hiriyti’s Ehemann verlangt, falls er seine hochschwangere Frau aus dem Folterlager im Sinai befreit sehen möchte. Hiriyti entfloh Eritrea an der nordwestlichen Grenze des Landes zum Sudan und wollte durch Ägypten und den Sinai nach Israel gelangen, um dort mit dem Vater ihres Kindes wiedervereint, ein Leben in Freiheit führen zu können.

Jedoch auch diejenigen, die überleben und in Israel ankommen, bekommen kein Asyl (im Gegensatz zu denjenigen, die, die alternative Route über das Mittelmeer nach Europa mit ihrem Leben riskieren) und leben so meist nicht nur als Obdachlose auf den Strassen sondern werden hinzu noch „Eindringling“ der israelischen Gesellschaft bezeichnet und dementsprechend behandelt. Ein strenges „Anti-Eindringlins“ Gesetz gilt in Israel, welches unregelmäßige ägyptisch-israelische Grenzübergänge mit unbefristeter Inhaftierung bestraft. Diese „Häftlinge“ können sich aber auch ein Ticket bezahlen, nämlich dies, um wieder in ihre ursprüngliche Heimat abgeschoben zu werden.

Im Film begleitet die Kamera Meron auch in solch eine israelische Haftanstalt. Der Zuschauer findet sich in Tränen, da sie einen nur 12-jährigen eritreischen Jungen dort antrifft, der unter diesem „Anti-Eindringlings“ Gesetz festgehalten wird.

Erwarten Sie jedoch nicht, sich die Tränen abwischen zu können, denn man kann nur Weinen, Weinen, Weinen und denselben Schmerz wie Meron fühlen, als sie Ihre Reise weiter in die ägyptische Wüste führt. Mit verlorenen Schuhen und durchlöcherter Babykleidung in der Hand und nur wenige Meter von den Folterhäusern entfernt, jedoch noch so machtlos die Eigentümer -Opfer, Eritreer, Afrikaner, aber in erster Linie Menschen- dieser „Stimmen“ von der Folter befreien zu können.

Der Dokumentarfilm „Sound of Torture“ wurde bereits mit dem IDFA Publikumspreis ausgezeichnet. Und dies kommt gar nicht so überraschend jenem, der das deutsche Publikum dieser Sonntagsmatinee Vorstellung in München beobachtete. Ein Publikumsmitglied, eingestehend der englischen Sprache nicht sehr mächtig zu sein, jedoch von den Bildern im Film sichtlich erschüttert, aber kurz entschlossen von seiner Zeugenrolle keine stillschweigende Mitttäterschaftsrolle entwickeln zu wollen, wendet sich verzweifelt in Bayrisch an Meron: „Bitte, was kann ich tun?“

Dieses Thema braucht unsere Aufmerksamkeit!

Und die Veröffentlichung der #MigrantsFiles, einem von der Journalismfund.eu finanzierten Projektes, in verschiedenen spanischen, französischen, italienischen, belgischen, griechischen und schweizerischen Medien beweist, dass die Zahl der toten und vermissten Migranten auf der Route über Libyen und das Mittelmeer nach Europa (die Hyriti und ihr Ehemann auch als Alternative zu ihrem Weg über Ägypten und dem Sinai hätten nehmen können) in Wirklichkeit 50 Prozent höher ist, als es die aktuellen Schätzungen besagen.

Somit wäre ein weiterer möglicher Ausgang ihres dargestellten Schicksals im Film, der sichere Tod? Auf der einen Seite also mögliche Folter oder unbefristete Inhaftierung oder aber, auf der anderen, der fast sichere Tod, darf das denn tatsächlich so sein?

Artikel: Ilona Kepic